Welche Kamera ist die richtige?!

Nachdem bei meinen kleinen Foto-Workshops immer mal wieder die Frage nach einer Zusammenfassung des Präsentierten gestellt wurde, habe ich angefangen, einen Mini-Ratgeber zusammenzustellen, was trotz gewisser Erfahrungen im Bücherschreiben ein ziemlich aufwändiges Prozedere ist.

Das Schreiben selbst jedoch ist ein interessanter Vorgang. Es reicht schließlich nicht, einfach irgendetwas zu erzählen, es gehören auch Recherchen und Überlegungen über Zusammenhänge dazu, was schon fast einen meditativen Charakter hat. Dabei wird nicht nur das eigene Wissen auf die Probe gestellt, sondern auch alte Vorurteile und Meinungen über den Haufen geworfen beziehungsweise neue Meinungen generiert.

Nachdem ich also bei den Recherchen in Foren, Facebook-Gruppen, Youtube-Channels u.s.w. über teilweise recht frappierende Meinungen bezüglich der Kameraauswahl gestolpert bin, ist es für mich an der Zeit, doch einmal eine eigene „Guideline“ aufzustellen.

Um Eines vorwegzustellen – Herstellerkult meines Erachtens ist weder angebracht noch notwendig. Marken spielen lediglich insofern eine Rolle, als das nicht jeder Hersteller Kameras und Optiken mit bestimmten optischen1, technischen2, haptischen3 und qualitativen4 Eigenschaften anbietet.

Eine Frage des Formats

Ich bin ja schon vor längerer Zeit über die Format-Frage gestolpert, MFT, APS-C, Vollformat – oder doch viel größer?

Gerade die Format-Frage wird teilweise sehr leidenschaftlich diskutiert. Angefangen von den Smartphone-Jüngern, über die MicroFourThirds-Fraktion, die (recht neutralen) APS-C-Nutzer, Vollformat-Guru’s oder letztlich Mittel- und sogar Großformat-Nerds – jeder ist sich sicher, ausschließlich mit exakt seinem Equipment das perfekte Foto zu schießen. Natürlich gibt es auch die Zweifler, die immer genau mit der Kamera die perfekten Fotos schießen würden, die sich eben nicht in der persönlichen Reichweite befinden.

Eine Kamera egal welchen Formats ist das Werkzeug, mit dem die eigene Vorstellung vom Foto, also der Umsetzung des Gesehenen in ein Abbild, umgesetzt wird. Und hier liegt auch schon der erste Hund begraben. Die Vorstellung vom perfekten Foto ist extrem weit gefächert.

Bereits die Entscheidung für Übersichtsaufnahme oder Detail sowie die präferierten Lichtsituationen führen dazu, Sensor- bzw. Filmformate und somit indirekt auch Kameratypen zu bevorzugen oder sogar auszuschließen. Also habe ich ein paar Kriterien zusammengestellt, die für die Kameraauswahl eine Rolle spielen. Dabei sind meine prozentualen Bewertungen durchaus subjektiv, stellen aber zumindest eine Diskussionsgrundlage bzw. Tendenzen dar.

Die Auswahl des Sensor- bzw. Filmformats ist also höchst subjektiv und von den Anwendungsfällen abhängig. Auch wird man feststellen, dass es eine 100%-Lösung nicht gibt. Jede Auswahl ist mit Kompromissen behaftet.

Ich habe für mich natürlich auch entsprechende Lösungen gesucht und – weitestgehend – gefunden. So bin ich für reine Dokumentationszwecke mit dem Smartphone unterwegs, für anspruchsvollere (Auftrags-) Arbeiten mit digitalem Vollformat5, für kreativ-künstlerische Themen mit analogem Voll6– und neuerdings Mittelformat7 unterwegs.

Fokussierung

Nach der Formatfrage steht die Fokussierung im Blickfeld, sehr wichtig für die Aspekte Geschwindigkeit, Schärfe und das eigene Sehvermögen.

Autofokus

Von Puristen eher belächelt, ist der Autofokus eine tolle Möglichkeit, die Schärfe des Bildes sicherzustellen, auch wenn man selber möglicherweise Einschränkungen im Sehen hat. Gerade als Brillenträger ist man ja oft durch Kamerasucher etwas gehandicapt.

Im Bereich der digitalen Fotografie ist ein (verstellbarer) Autofokus bei fast allen Kameras verfügbar. Unterschiede in der Funktionsweise des Autofokus ergeben sich aus dem Aufbau der Kamera. Kontrast- und Phasen-Autofokus, Linien- und Kreuzsensoren sind ein breites, technisches Feld, auf dem man sich austoben kann. Letztendlich unterscheiden sich die Fokussierhilfen im Wesentlichen im Bereich der Lichtempfindlichkeit, der Anzahl der Messpunkte und in der Bedienung. Kann man bei einigen Kameras den Fokuspunkt über Kreuzwippen verschieben, ist es bei anderen Kameras ein komfortabler Touchscreen.

Als Entscheidungshilfe sollte die persönliche Präferenz und Intuition im Verschieben der Fokuspunkte dienen, sowie die Abbildungsleistung8 des Suchers.

Manueller Fokus

Hier wird die Sache so richtig spannend – gibt es doch die Auswahl (bei antiken Kameras) vom Schätzen von Entfernungen, über klassische Einstellscheibe mit und ohne Fokussierhilfen bei Spiegelreflexkamers bis hin zu Messsuchersystemen. Aber auch die Verwendung von manueller Fokussierung, z.B. per Live-View bei modernen Kameras ist möglich.

Manuelles Fokussieren erfordert viel Übung, gute Augen und deutlich mehr Zeit, als Autofokussysteme. Ohne Fokussierhilfen, wie z.B. Schnittbildsucher, kann je nach verwendetem Objektiv das manuelle Scharfstellen zum Balanceakt werden. Andererseits gibt es aber auch die Möglichkeit, einen Look jenseits der Perfektion zu kreieren.

Sehr interessant kann das manuelle Fokussieren auch in Hinblick auf eine gewisse Entschleunigung sein. Man konzentriert sich stärker auf das eine Bild, wohlwissend, dass man sich festlegen muss, ein zweites Auslösen zwar möglich, aber zeitlich doch versetzt sein wird. In der analogen Fotografie kommt auch noch die Begrenzung durch die Bildanzahl des verwendeten Films hinzu.

Weitere, faszinierende Effekte kann die Verwendung von Lichtschachtsuchern haben. Nicht nur, dass sie durch schiere Größe des Suchers eine besonders schöne Möglichkeit der Schärfe-Beurteilung des Bildes ermöglicht, oft auch durch einklappbare Lupen ergänzt, – nein, durch den Blick von oben in die Kamera ändert sich automatisch die Sichtachse und ebenso die Körperhaltung. Das Neigen des Kopfes nach unten scheint mir etwas Demütiges zu haben, wobei sich die Körperhaltung auch auf die Geisteshaltung zu übertragen scheint. Gerade beim Anfertigen von Portraits scheint mir diese Körperhaltung des Fotografen bei den Personen etwas Erhabenheit und zusätzliche Würde zu verursachen. Vielleicht steigert diese demütige Haltung sogar die Bereitschaft der Menschen, sich z.B. im Bereich der Street-Fotografie ablichten zu lassen.

Kameratyp

Letztes, wichtiges Kriterium für die Kameraauswahl ist das Finden des richtigen Kameratyps, also des mechanischen Aufbaus, der für Dimensionen und Gewicht ausschlaggebend ist.

Ein kleines Bisschen wurde die Entscheidung schon durch die Formatauswahl abgenommen. Ein paar Aspekte sollten aber noch erwähnt werden.

Boxkamera

Die Boxkamera ist eine der ursprünglichsten Kameratypen überhaupt. Heute nur noch im Museum zu sehen oder auf Gebrauchtplattformen zu erwerben, verfügen sie lediglich ein (mehr oder weniger) lichtdichtes Gehäuse, eine feststehende Linse und einen simplen Verschluss mit auch nur einer Belichtungszeit. Als Filmmaterial wurde u.a. Rollfilm oder 4×5 cm Planfilm verwendet. Die Kamera wurde in Richtung des Motivs gehalten oder per Stativ fixiert und ausgelöst. Eine genaue Komposition des Bildes war bzw. ist nur schwer möglich.

Heutzutage gibt es Boxkameras in deutlich abgewandelter Form als Einweg-Sucherkameras, teilweise mit Blitz oder in wasserfestem Gehäuse, alle jedoch mit Kleinbildfilm.

Aktuell sehe ich für mich keinen Bedarf an einer Boxkamera, höchstens, um sie meinen Kindern zu zeigen, was aber keinen Besitz voraussetzt, wenn man das Deutsche Museum quasi vor der Haustür hat.

Sucherkamera

Klassische (antike) Sucherkameras mit fest verbautem Objektiv verfügen zwar über eine Einrichtung, die das Komponieren des Bildes in Form einer Durchblickoptik, das Fokussieren beeinflussen kann man jedoch nicht. Zwar gab es Kleinbildsucherkameras mit Autofokus, den Fokuspunkt festlegen ging aber auch hier nicht. In der ursprünglichen Form wurde die Entfernung zum Motiv geschätzt und am Objektiv eingestellt.

Beirette VSN

Da sich die Suchereinrichtung nicht auf der optischen Achse befindet, sind Verschiebungen von gesehenem und fotografierten Motiv üblich, wenn auch vielleicht nicht unbedingt relevant9.

Viele Sucherkameras mit fest verbautem Objektiv haben den Verschluss im Objektiv, was relativ kurze Verschlusszeiten ermöglicht und zudem recht leise ist. Aktuell kann man beobachten, dass vermehrt Puristen auf diese Art der Kamera10 einsetzen. Es gibt ein Revival, auch als Folge der Rückkehr zum Analogfilm.

Sucherkameras bieten mir selbst zu wenig Eingriffsmöglichkeiten11 auf das Bildergebnis, G.A.S.12-gefährdet bin ich also in diese Richtung eher weniger.

Messsucherkamera

Eine interessante Weiterentwicklung der Sucherkamera ist die Messsucherkamera13, die eine präzise Entfernungsmessung zum Motiv erlaubt. Zunächst als angestecktes Bauteil wurde später eine Kopplung zum Objektiv vorgenommen, sodass ein einfaches Fokussieren möglich wurde. Die Abweichung zur optischen Achse wurde ebenfalls korrigiert. Die verwendeten Tuch- oder Lamellenverschlüsse sind in der Regel hörbar. Einen Spiegelschlag wie bei Spiegelreflexkamers gibt es jedoch nicht.

Canon QL 17

Messsucherkameras gab und gibt es für analoges und digitales14 Kleinbild, aber auch analoges Mittelformat15. Leider sind die Preise auch für alte Kameras immer noch (oder vielleicht auch schon wieder) relativ hoch, wobei man bei der Suche nicht einmal auf einen typischen Vertreter wie Leica schauen muss. Selbst für vermeintliche Underdogs16 mit Wechseloptiken werden immer noch drei- oder sogar knapp vierstellige Beträge aufgerufen.

Ich selbst liebe das Fokussieren mittels Messsucher, weil es eine ungeahnte Schärfe in der Aufnahme erlaubt, setzt aber Zeit und Übung voraus.

Systemkamera (spiegellos)

Der aktuell letzte Schrei der digitalen Fotografie ist die Systemkamera, ausgestattet mit Wechselobjektiven und (mittlerweile) hochauflösendem elektronischen Sucher. Von den professionellen Fotografen wird sie (zumindest aus meiner Sicht) noch etwas misstrauisch beäugt, stellt doch gerade der elektronische Sucher eine neue Benutzererfahrung dar, was ich mangels ausreichender Testmöglichkeiten auch gar nicht weiter kommentieren oder gar werten möchte.

Befürworter lieben ein (etwas) geringeres Gewicht, kompaktere mechanische Abmessungen – beides abhängig von der verwendeten Sensorgröße – und das Fehlen eines Auslösegeräusches, wenn es nicht gerade ebenfalls elektronisch erzeugt wird. Systemkameras gibt es angefangen vom MFT-Format für mittleres Budget bis sogar zum hochpreisigen Mittelformat17, was für die professionellen Ambitionen von Systemkameras spricht.

Ein Wechsel zur spiegellosen Systemkamera kommt für mich aktuell nicht infrage. Das liegt im Wesentlichen an den meines Erachtens unverhältnismäßig hohen Preisen18, die für Gehäuse wie Optiken aufgerufen werden. Letztere bräuchte ich vermutlich nicht, da ich meine bestehenden Optiken über Adapter weiterverwenden könnte. Allerdings – einen echten Mehrwert sehe ich derzeit im Vergleich zu ähnlichen Spiegelreflexsystemen nicht, eher die Nachteile der Kosten und vermutlich höheren Akkubedarfe.

Bridgekamera

Verschweißt man eine Systemkamera fest mit einem (oft extremen) Zoomobjektiv, erhält man die Bridgekamera. Mit eher kleineren Sensoren bestückt wird sie recht kompakt und somit als typische Reisekamera verkauft. Die Nachteile extremer Zoomobjektive wird an späterer Stelle beschrieben.

Bridgekameras bewegen sich meines Erachtens eher im unteren Consumer-Bereich. Ambitioniertere Amateure dürften relativ schnell ihre Freude an diesem Kameratyp verlieren und später zu Systemkameras oder Spiegelreflexen mit ordentlichen Wechseloptiken greifen.

Spiegelreflexkamera (einäugig)

Sie war und ist (noch) die Standard-Kamera im semi-professionellen und professionellen Bereich schlechthin, wird aber auch im Consumer-Bereich angeboten. Das rein optische Fokussieren durch die Optik, die letztlich auch für das Bild verantwortlich ist, erlaubt eine sehr gute Kontrolle über das zu machende Bild. Komposition, Fokussierung und sogar die Kontrolle der Blendenwirkung sind möglich.

Canon AE-1

Als Nachteil wird der (große) Spiegelkasten, der Spiegelschlag (Hochklappen des Spiegels beim Auslösen) und ein lauter Verschluss gewertet. Spiegelreflexkameras sind mit APS-C-Sensoren sowie analogem wie digitalen Voll- und Mittelformat19 erhältlich.

Mamiya 645 PRO TL

Spiegelreflexkamera (zweiäugig)

Etwas antiquiert aber trotzdem interessant sind zweiäugige Spiegelreflexkameras. Ohne Spiegelschlag sind sie dank Verschluss im Objektiv sehr leise und ermöglichen mit ihrem Lichtschachtsucher eine interessante Möglichkeit der Bildkomposition.

TLR’s verfügen in der Regel über fest verbauten Objektive. Ausnahmen20 gibt es meines Wissens nur wenige. Qualitativ wie preislich ist die Bandbreite relativ hoch, wenn man auch für teilweise ausgezeichnete Modelle verhältnismäßig wenig Geld ausgeben muss. Allerdings muss man mit dem mechanischen Format der Kamera und dem Handling21 klarkommen.

Echte22 zweiäugige Spiegelreflexkameras gibt es (derzeit) nur in analogem Mittelformat und meines Wissens auch nur mit quadratischem Format, so in 6×6 bzw. 4×423 cm.

Fachkamera

Für einige Anwendungen (z.B. verzerrungsfreie Produktfotografie, Architekturfotografie) sind Fachkamerastt24 bis heute das Nonplusultra, ermöglichen sie doch das Ausgleichen von Perspektiven und stürzenden Linien in beeindruckender Weise. Diese Art der Kamera setzt viel Fachwissen und kundige Hände voraus. Man bekommt sie bis heute nagelneu zu kaufen, mit Analogfilm in verschiedenen Größen, aber auch Adaptern für digitales Mittelformat.

Optik

Was geistern gerade bezüglich der Objektive doch für Meinungen in der Welt herum, wobei die Bandbreite durchaus von gefühlter Ignoranz bis quasi Heiligenverehrung reicht.

Schauen wir aber zunächst auf die Fakten. Fakt ist, dass die Optik neben dem lichtempfindlichen Element (Sensor oder Film) das wichtigste, bildbestimmende Element ist. Dabei gibt es harte Parameter, die für den Einsatz des Objektivs berücksichtigt werden müssen.

Brennweite

Die Brennweite bestimmt in Verbindung mit dem Film- bzw. Sensorformat, welchen Blickwinkel das Objektiv erfasst. Die Unterteilung in Weitwinkel, Normal- und Teleobjektive ist vermutlich geläufig.

Diskussionen kommen aber immer dann auf, wenn es darum geht, ob der Einsatz von Objektiven mit variablen Brennweiten, also Zoom-Objektive, „zulässig“ ist, oder nicht. Puristen befürworten in der Regel den Einsatz von Festbrennweiten und predigen den „Zoom mit den Füßen“. Sie berufen sich auf eine besondere Schärfeleistung und Präzision der Objektive, da sie auf exakt die eine Brennweite berechnet und entwickelt wurden, die angegeben ist. Messwerte bestätigen in der Regel dieses Vorurteil eindrucksvoll.

Für mich zählt das Ergebnis und das sind keine Messwerte sondern Fotos. Gerade in der letzten Zeit habe ich viele wundervolle Aufnahmen von äußerst talentieren Fotografen gesehen, die ihren Fotos auch technische Hintergrundinformationen hinzugefügt hatten. Die Bandbreite der Kameras und Objektive in Alter und Preisklassen rangierte von extrem niedrig (z.B. Boxkameras) bis exorbitant teuer mit ehrfurchteinflößenden Markennamen wie Hasselblad, Leica, Zeiss, Schneider-Kreuznach u.s.w..

Obwohl ich mir mittlerweile einbilde, durchaus von Fotografie etwas zu verstehen, sehe ich – eine gute Fokussierung und ähnliche Sensoren/Filme vorausgesetzt – nur relativ geringe Unterschiede in der Qualität aktueller Optiken, wenn man Spaßobjektive mit Kunststofflinsen der Lomografie mal außen vor lässt.

Stärker wirkt sich der Aufbau des Objektivs aus, gerade wenn man historische mit modernen Linsen vergleicht. Alte Objektive weisen gelegentlich einen über das Bild ungleichmäßigen Schärfe- und blendenabhängigen Helligkeitsverlauf (Vignettierung) auf. Was sich zunächst als Nachteil anhört, war aber nicht nur bildprägend sondern stellte die Fotoästhetik ganzer Generationen dar. Den Look alter Portraits mit modernen Linsen nachzuempfinden, erfordert schon viel Computereinsatz. Und so ist es nicht wirklich erstaunlich, dass historisierende Objektive nach Berechnungsmethoden des Josef Maximilian Petzval wieder entwickelt und vertrieben werden.

Deutliche Qualitätsunterschiede sieht man aber auch mit wenig Übung, wenn man sich die Ergebnisse von Zoomobjektiven mit extremen Spreizungen anschaut. Eine Berechnung der optimalen optischen Eigenschaften ist über den gesamten Brennweitenbereich nur schwer möglich. Zwischen Ultraweitwinkelbereich und Supertele, wie es manche Bridgekameras mittlerweile anbieten, kann schlicht nicht durchgängig gute Bildqualität erzielt werden. Die Schärfe ist dabei fast das kleinere Problem. Die farbabhängige Brechung des Lichts kann kaum noch korrigiert werden, es kommt zur chromatischen Aberration, was sich letztlich in farbigen Rändern an Motivkanten zeigt.

Komplett verteufeln möchte ich die Zoomobjektive aber nicht. In vernünftigen Bereichen, z.B. 17-34 mm KB, 24-70 mm KB, 70-200 mm KB, stehen sie Festbrennweiten ergebnisbezogent25 in nichts nach.

Die Brennweite ist immer im Zusammenhang mit Sensor- bzw. Filmformat zu sehen, wie es in der nachstehenden Tabelle ersichtlich ist.

Aus der Tabelle geht recht gut hervor, warum ich am Anfang die Präferenzen für Weitwinkelanwendungen auf große Sensorformate und Tele-Anwendungen auf kleine Formate gelegt habe. Ultrakurze Brennweiten sind für MFT nur schwer zu konstruieren, Mittelformatkameras hingegen benötigen extrem viel und schweres Glas, um Superteleobjektive zu realisieren.

Weitwinkel versus Teleobjektiv

Die Diskussion um Zoom oder Festbrennweite ist für mich zwar müßig, aber nachvollziehbar.

Nicht nachvollziehbar ist für mich jedoch, wie der „Zoom auf Füßen“ Brennweiten ausgleichen soll, schließlich unterscheidet sich die Wirkung von Weitwinkel und Teleobjektiven maßgeblich und beeinflusst die Bildwirkung erheblich.

Weitwinkelobjektive können – wie es der Name ja schon erklärt – das Blickfeld deutlich erweitern. Enge Räume oder Landschaftspanoramen können gut erfasst werden. Dabei ergeben sich aber typische optische Effekte.

Broken view II

Je nach Brennweite und Qualität der Optik können deutlich wahrnehmbare Verzeichnungen26 auftreten, besonders schön bei sogenannten Fisheye-Optiken erkennbar. Dieses Verhalten kann natürlich gestalterisch eingesetzt werden, aber auch unangenehme Auswirkungen haben – so z.B. bei Portraits. Vergrößerte Nasen und verschwindend kleine Ohren sind bei geringen Brennweiten und kurzen Abständen höchstens ein karikierendes Gestaltungselement. Der geringe Abstand zur fotografierten Person birgt zusätzlich die Gefahr, die als noch angenehm empfundene Mindestdistanz zum Mitmenschen zu unterschreiten und somit dem Modell schlicht „auf die Pelle zu rücken“. Einen entspannten und unbeobachteten Gesichtsausdruck wird man so eher nicht einfangen können. Bei Tieren wird auch sehr schnell die Fluchtdistanz unterschritten.

Ebenfalls typisch für Weitwinkelobjektive ist eine große Schärfentiefe, also eine geringe Schärfeabstufung zwischen Vorder- und Hintergrund, was unserem normalen Sehverhalten nicht wirklich entspricht. Ein in jedem Bereich scharfes Bild – Landschaften und Panoramen mal ausgeschlossen – überfordert meines Erachtens den Betrachter, weil zu viele Details einprasseln und vom eigentlichen Motiv ablenken.

Das ganze Gegenteil hierzu ist die Domäne des Teleobjektivs. Der Abstand zum Motiv ist groß, was auch unbemerktes Fotografieren ermöglicht und das Motiv hebt sich klar und deutlich vom unscharfen Hintergrund ab. Verzeichnungen findet man beim Teleobjektiv eher weniger, Proportionen werden gewahrt.

Onkel Wolfgang

Jedes Objektiv hat also seinen dedizierten Anwendungsbereich. Für mich bedeutet das, bei Hochzeiten mit zwei Kameras herumzulaufen, einer mit dem Reportagebereich 24-70 mm KB und einer mit 70-200 mm KB. Das ermöglicht mir eine hohe Flexibilität bei gleichbleibender Abbildungsleistung.

Blende

Was Objektive – neben optischem Aufbau und Markennamen – richtig teuer macht, ist die Blende, genauer die maximale Offenblende. Es macht sich schon gut, wenn man am Stammtisch oder in Foren mit sehr niedrigen Blendenzahlen auftrumpfen kann, beweist es doch, dass man viel Geld in die Optik gesteckt hat. Was genau aber hinter der großen Offenblende mit den kleinen Blendenzahlen steckt, ist – zumindest wenn man dann die Ergebnisse anschaut – scheinbar eher weniger bekannt.

Zunächst aber erst einmal – ja, es macht Sinn, sehr lichtstarke („schnelle“) Objektive zu verwenden. Dafür gibt es mehrere Gründe.

(Spiegelreflex-) Kameras erlauben in der Regel das Fokussieren mit komplett geöffneter Blende. Das hat mehrere Vorteile. So ist die Schärfentiefe mit geöffneter Blende geringer, man tut sich also leichter, das Motiv scharfzustellen. Autofokussysteme profitieren von großen Offenblenden ebenfalls, weil auch bei wenig Licht ausreichend Kontraste zum Scharfstellen gefunden werden. Beim Auslösen der Kamera wird dann die eigentliche Blende im Objektiv eingestellt. Kein Vorteil ohne Nachteil – die Schärfentiefe vom fertigen Bild kann man so nicht beurteilen. Die Technik bietet hierzu aber an vielen Kameras eine Möglichkeit, auf die Zielblende testweise umzuschalten.

Ebenfalls wichtig ist der Einfluss der Blende auf die Schärfentiefe als gestalterisches Mittel. Das Freistellen des zu zeigenden Motivs gelingt eben besser, wenn die Schärfentiefe gering ist, also zwischen (scharfem) Vordergrund und (unscharfem) Hintergrund unterschieden werden kann.

Letztlich hat die Form der Blende auch einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf das Bokeh sowie die gern verwendeten Blendensterne.

Ich finde es immer wieder „interessant“, wenn mit ultrateueren Objektiven (f/1.1 oder sogar f/0.95) angegeben wird, die Aufnahmen aber mit geschlossenen Blenden und somit nicht unterscheidbarem Vorder- und Hintergrund präsentiert werden.

Was ist also für mich blendentechnisch wichtig und sinnvoll? Bei meinen Zoom-Optiken achte ich auf eine Durchgängigkeit der Offenblende, was bedeutet, dass ich in jeder Brennweite die gleiche Offenblende zur Verfügung habe. Günstige Objektive bieten das in der Regel nicht.

Um schnelles und präzises Fokussieren zu gewährleisten, habe ich im Kleinbildbereich für die beiden Hauptobjektive (24-70 mm und 70-200 mm) jeweils Offenblenden von f/2.8. Natürlich habe ich auch Festbrennweiten mit f/1.4, wie ein 50-mm-Objektiv. Ein vernünftiger Betrieb mit Offenblende ist aber nur auf längere Distanzen sinnvoll, bei denen die Blende keinen wesentlichen Einfluss mehr auf den Schärfeverlauf im Bild hat. Bei Portraits muss ich mindestens auf f/2.8 abblenden, um nicht ein scharfes Auge und eine unscharfe Nasenspitze zu erreichen.

Im Bereich Mittelformat kann ich bisher auf Optiken mit Offen-Blende f/2.8 und f/3.5 aufwarten, was umgerechnet auf Kleinbild/Vollformat ca. f/1.7 bzw. f/2.0 entspricht. Lange Teleoptiken (300 mm/500 mm) – so ich sie denn halbwegs bezahlbar bekomme – werden sich aber vermutlich eher im Bereich f/4.5 bzw. f/5.6 (entspricht ca. f/2.8 bzw. f/3.5 KB) bewegen. Das ist aber eher ein Thema für ein wiederaufgefülltes Budget.

Ach ja, wie auch die Brennweite ist die Wirkung der Blende von der Sensor-/Filmgröße abhängig, was ich versucht habe, in der nachstehenden Tabelle aufzuzeigen.

Betrachtet man die berechneten Werte, zeigt sich schnell, dass eine Blende f/2 beim Smartphone27 auf Kleinbildformat gerechnet, lediglich einer Blende f/11 entspricht . Für die Nutzung geringer Schärfentiefe ist das eher ungeeignet. Nicht ganz so stark wirkt sich der Effekt bei MFT aus. Was im Prospekt mit Blende f/0.95 super klingt, wirkt verglichen mit Vollformat gerade einmal wie Blende f/1.8. Um einen MFT-Pendant für das berühmte 50 mm KB f/0.9528 darzustellen, müsste man also ein 22 mm f/0.5 entwickeln. Insofern lohnt sich meines Erachtens Vollformat durchaus, wenn man auf kreatives Freistellen und geringe Schärfentiefe wert legt.

Schönes Schönbrunn
Leica M8, 35 mm bei f/2.5

Quintessenz für mich und vielleicht auch andere…

DIE eine Kamera für alle Anwendungen gibt es nicht. Kompromisse müssen immer eingegangen werden, sei es was die Bildqualität, die Handlichkeit, Gewicht, verfügbare Optiken etc. angeht.

Fotos machen kann man auch mit der selbstgebastelten Lochkamera, komponieren und eine Vorstellung vom fertigen Bild entwickeln, muss der Fotograf. Teuere Namen auf der Hardware sind kein Garant für gute Bilder, (scheinbar) primitive Kameras kein Nachteil in geübten Händen.

Eine Kamera ist lediglich ein Werkzeug zum Abbilden des Gesehenen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Letztlich sollte man sich die Kamera anschaffen, die dem Anwendungszweck, der Umsetzung des imaginierten Bildes am Nächsten kommt.

Für mich bedeutet das, Hauptkamera wird auch auf Weiteres meine Canon EOS 5D Mk. III bleiben, ergänzt von einer Canon EOS 40D. Für Kreativ-Spielereien mit weitestgehend „sicherem“ analogen Bild kommt meine Canon EOS 1 zum Einsatz, später vielleicht noch eine Leica CL.

Den eigentlichen Weg zum Analogfilm werde ich mit meiner Mamiya 645 Pro TL gehen, vielleicht irgendwann – je nach Budgetlage oder passender Gelegenheit – ergänzt durch die eine oder andere Mittelformatkamera mit anderem Format oder/und anderen Kameratyp. Projekte dazu habe ich bereits im Kopf. Zu gegebener Zeit werden ich über sie berichten.